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IPWF • Fachgebiet Neurologie / Neuromuskuläres System • IPWF |
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Krankengymnastik bei neuromuskulären ErkrankungenEine Übersichtsdarstellung von Oliver Malicke
Im folgenden sollen einige Stichworte zur Krankengymnastik bei HMSN-Patienten gesagt werden, wobei sich die Ausführungen insbesondere an die Betroffen selbst richten. Um es nicht zu lang(-weilig) werden zu lassen, habe ich mich hinsichtlich der verschiedenen KG-Methoden darauf beschränkt, die Durchführung und die Wirkungsweise einiger wesentlicher Therapieverfahren kurz zu beschreiben. Über die Einzelheiten sollte man sich lieber bei seinem Therapeuten informieren, der einem auch - in Abstimmung mit dem behandelnden Facharzt - dabei helfen sollte, die richtige Methode auszuwählen, denn nicht jede Therapie schlägt bei jedem an. Verstehen Sie die nachfolgenden Worte also bitte als Anregung, sich selbst aktiv mit verschiedenen Therapiemethoden auseinanderzusetzen und dann Schritt für Schritt zu der Kombination zu finden, die Ihnen hilft und auch Spaß macht.Häufig angewandte Methoden bei der HMSN sind u.a. isometrische Spannungsübungen und PNF. Sehr zu empfehlen ist auch die KG nach Vojta. Weitere Methoden sind die nach Bobath oder Feldenkrais und verschiedene andere Techniken, die alle mehr oder weniger Schwerpunkte hinsichtlich der beteiligten Muskelgruppen oder der Art der Durchführung setzen. Ich will hier einige Therapiemethoden beschreiben, die insofern als "ganzheitlich" bezeichnet werden können, als sie im Prinzip am ganzen Körper angewendet werden können bzw. ohnehin den ganzen Körper einbeziehen.Isometrische Spannungsübungen :
Hierbei werden die Muskeln
angespannt, ohne dass das betreffende Körperteil bewegt wird.
So gibt die/der TherapeutIn z.B. die Anweisung, dass Sie Ihren Arm
in einer bestimmten Position halten und nicht wegdrücken
lassen sollen. Oder Sie spannen gegen einen Widerstand, ohne dass
dieser von Ihnen überwunden wird. PNF (Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) :Hierbei werden zunächst durch eine kurze Dehnung der betreffenden Körperteile die "Spannungssensoren" in den Muskeln und Sehnen, die sogenannten Propriozeptoren bzw. Exterozeptoren, stimuliert. Sofort danach wird dann eine Bewegung ausgeführt, die durch das vorherige Stimulieren nun besser ausgeführt werden kann. Mit dieser Methode sollen funktionelle Bewegungsabläufe verbessert werden, wobei ganz bestimmte, meist diagonal ausgeführte Bewegungen mehrmals wiederholt werden. Feldenkrais-Therapie :
Diese in Deutschland weniger
bekannte Methode, die bei uns mancherorts von Einzeltherapeuten
oder auch von Volkshochschulen als Gruppentherapie angeboten wird,
zielt ebenfalls darauf ab, durch Stimulation des neuromuskulären
Systems Bewegungsabläufe zu verbessern, oder besser gesagt,
zu harmonisieren. Man liegt zunächst ganz entspannt und
bewegungslos auf einer Matte o.ä. und versucht, die Schwere
der Glieder und den Kontakt mit der Unterlage bewusst
wahrzunehmen. Nun beginnt man allmählich und langsam mit ein
paar kleinen Pendelbewegungen, um mit den Empfindungen der
Gliedmaßen zu experimentieren. Man steigert das Ausmaß
der Bewegungen gelegentlich ein bisschen, legt zwischendurch
wieder Ruhephasen ein, ändert ein wenig die Lage u.s.w.,
atmet dabei auch bewusst Vojta-Therapie :
Neben einer den ganzen Körper
einbeziehenden und dabei schonenden Muskelspannung bewirkt diese
Methode auch eine Verbesserung des Gefühls für den
eigenen Körper und dessen Muskelfunktionen, was sich dann
auch wieder auf die Wirksamkeit anderer KG-Methoden positiv
auswirkt. Die Vojta-Therapie setzt allerdings, wenn sie
erfolgreich betrieben werden soll, die Bereitschaft voraus, sich
innerlich mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen, d.h. in
sich "hineinzuhorchen" und zu beobachten, wie sich die
Muskeln anspannen, die Glieder bewegen und die Atmung
intensiviert. Die Methode wurde nämlich ursprünglich zur
Anwendung bei Säuglingen und Kleinkindern mit cerebralen
Bewegungsstörungen entwickelt und bedient sich angeborener
Bewegungsmuster, die durch das Berühren bestimmter
Körperpunkte ausgelöst werden; dies ist bei kleinen
Kindern leicht möglich. Bei Erwachsenen und auch schon bei
größeren Kindern wurden diese natürlichen
Bewegungsmuster im Laufe der körperlichen Entwicklung durch
eingeprägte Verhaltensweisen überdeckt und müssen
erst einmal wieder "ausgegraben" werden. Dies braucht
natürlich seine Zeit, weshalb die Vojta-Therapie bei einigen
Patienten erst nach mehreren Wochen oder gar Monaten anschlägt.
Manchmal wird daher die Therapie vorzeitig abgebrochen, sehr oft
auch unfreiwillig unter dem Druck nicht hinreichend informierter
oder "überfürsorglicher" Ehepartner oder
Eltern, die sich nicht vorstellen können, dass eine Therapie
helfen kann, bei der die Patienten sich nicht abplagen müssen,
sondern ganz entspannt daliegen und trotzdem das rege Spiel ihrer
Muskeln erleben können. Bobath-Therapie :Hierbei werden bestimmte mehr oder weniger komplexe Bewegungsabläufe durch ständiges Wiederholen regelrecht eintrainiert bzw. pathologische Reflexmechanismen überdeckt, um alltagsmotorische Fähigkeiten positiv zu beeinflussen. Alexander-Technik :Dieses Therapiekonzept zielt auf das (Wieder-) Erlernen eines natürlichen und ausgewogenen Körpergebrauchs ab. Zunächst lernt der Patient, seine ihm eigenen gewohnheits- und krankheitsbedingten Fehlhaltungen und -muster zu erkennen. Dies geschieht mittels gezielter Übungen, die die/der TherapeutIn mit ihm durchführt. Die/der PatientIn erwirbt so ein besseres Körpergefühl und kann dann allmählich dazu übergehen, die ungünstigen Haltungs- und Bewegungsmuster abzubauen und durch "natürlich funktionierende" Muster zu ersetzen. Diese sollen schließlich so in die alltagsmotorischen Abläufe integriert werden, dass die Therapiesitzungen eingestellt und die erlernten Techniken eigenständig weitergeführt werden können. Eutonie :Dieser mit "Wohlspannung" übersetzbare Begriff bezeichnet eine Methode, die ebenfalls auf der Bewusstmachung von Körperfunktionen aufbaut. Die/der PatientIn wird durch Körperkontakt mit Gegenständen oder den Händen des/der TherapeutIn wie auch durch Gebrauch seiner eigenen Hände dahin geführt, Muskelspannungen und Körperempfindungen bewusst wahrzunehmen. Durch Konzentration auf einzelne Körperbereiche soll eine Regulierung des Muskeltonus bewirkt und verkrampfte Haltungs- und Bewegungsmuster abgebaut werden. Autogenes Training :Auch diese Methode basiert auf Wahrnehmungs- und Konzentrationsprozessen, wobei hier das Erlernen bewusster und gezielter Entspannung der Muskulatur im Vordergrund steht. Die/der PatientIn wird dazu angeleitet, die auf seinen Körper einwirkende Schwerkraft zu spüren und dadurch eine weitgehende Entspannung zu erreichen. Nach einigen Therapiesitzungen gewinnt er allmählich die Fähigkeit, durch gezielte Entspannung verschiedene motorische und vegetative Funktionen zu beeinflussen; so lassen sich z.B. Schmerzen lindern und Krämpfe abbauen. Wassergymnastik :
Durch die Auftriebskraft des
Wassers wird der Einfluss der Schwerkraft auf den Körper
teilweise aufgehoben. Dadurch können Übungen
durchgeführt werden, die die/der PatientIn sonst nur unter
Schwierigkeiten oder gar nicht ausführen kann. Diese
Therapieform ist zur Mobilisierung sehr gut geeignet und wird
meist als sehr angenehm empfunden. Durch den Widerstand, den das
Wasser der Bewegung entgegensetzt, kann Wassergymnastik einen
positiven Effekt sowohl auf die Kraft als auch auf das
Herz-Kreislauf-System haben. Voraussetzung ist, dass sie unter
fachlicher Anleitung durchgeführt wird, denn die Wirkung kann
wegen der "Schwerelosigkeit" leicht unterschätzt
werden, sodass u.U. eine Überbeanspruchung der Muskulatur
riskiert wird. Training in Fitnessstudios und -gruppen :Fitness-Studios
sind generell mit Vorsicht zu genießen. Dies gilt auch dann,
wenn diese von angeblich "gut ausgebildeten
Diplom-Sportlehrern" betreut werden. Eine Ausbildung, die die
spezielle Problematik bei neuromuskulären Erkrankungen
berücksichtigt, gibt es im sportwissenschaftlichen Bereich
nämlich regulär nicht (auch nicht für Ärzte,
die z.B. als Orthopäde eine Zusatzausbildung zum "Sportarzt"
machen). Weitere Anregungen :Wer
die Gelegenheit hat, sollte des öfteren schwimmen. Am besten
ist Rückenschwimmen
oder
Wasserspiele
bzw.
einfaches Bewegen in senkrechter Haltung; Brustschwimmen ist wegen
der Belastung der Halswirbelsäule und der Nackenmuskeln
weniger zu empfehlen. Ich hoffe, Ihnen mit diesem Beitrag ein paar nützliche Anregungen gegeben zu haben. Vielleicht haben Sie nun Lust, einmal mit einer/einem TherapeutIn oder mit Ihrem Arzt zu sprechen; tun Sie dies ruhig, es eröffnet Ihnen vielleicht neue Perspektiven für eine weniger beschwerliche Alltagsbewältigung. Denken Sie daran: Krankengymnastik soll nicht nur helfen, körperliche Beeinträchtigungen zu mindern oder einen besseren Umgang mit der Behinderung bzw. einen ökonomischeren Einsatz der verbliebenen Kräfte zu erlernen. KG dient ebenso auch der Entspannung von Körper, Geist und Seele. Somit sollten Sie diese Möglichkeiten auch dann wahrnehmen, wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass Sie dadurch körperlich leistungsfähiger werden, oder wenn Sie glauben, so wenig körperlich belastbar zu sein, dass man mit Ihnen wohl keine KG mehr machen könne; Sie werden sehen: es geht. Und es tut nicht weh, belastet auch nicht zu sehr - man muss nur die richtige Therapieform auswählen, und dabei kann Ihnen am besten ein(e) KrankengymnastIn helfen. Sicherlich gibt es auch in Ihrer Nähe eine KG-Praxis; gehen Sie doch einfach mal vorbei und lassen Sie sich beraten. Hierzu wird man dort bestimmt bereit sein, ohne dass es gleich etwas kostet.
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Ansprechpartner : Oliver Malicke, IPWF, SGMH-Kontaktstelle für Krankengymnastik |
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Oliver Malicke • Heuorts Land 6 • 22159 Hamburg • Tel. 040 - 6599500-0 • info@ipwf.de |
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Letzte Änderung: 17.8.2010 |
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